Lange Zeit blickte Ankara neidisch nach Athen: Während Griechenland EU-Mitglied wurde und das Land sich mit Unterstützung der Union scheinbar prächtig entwickelte, gerieten die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei immer mehr ins Stocken. Überhaupt wurde von Brüssel aus gerne auf die Nichteinhaltung der Kopenhagener Standards hingewiesen. Im Jahr 2012 liegt Griechenland am Boden, die Europäische Union steckt politisch wie wirtschaftlich in der Krise – und die Türkei? Sie boomt: Wirtschaftswachstum bei über acht Prozent, Neuverschuldung von 1,5 Prozent des BIP, 115 Milliarden US-Dollar Währungsreserven. Türkische Aktien versprechen hohe Renditen. Immer mehr Anleger zieht es daher an die Börse nach Istanbul.
Türkische Aktien: Risiken ja, aber nicht übermäßig
Institutionelle Investoren aus In- und Ausland stürzten sich im Mai auf die Neuemission von Staatsanleihen im Gesamtwert von umgerechnet 1,42 Milliarden Euro. Auch türkische Aktien sind wieder gefragt. Der ISE 100 – der wichtigste Index der Istanbul Stock Exchange – stieg seit Januar um 16 Prozent, die Kurse im ISE 30 sogar um mehr als 50 Prozent. Zwar gibt es diverse Unsicherheitsfaktoren: das hohe Leistungsbilanzdefizit, der Konflikt mit Syrien, der Einfluss der krisengeschüttelten EU. Insgesamt haben sich die Ängste vor einer harten Landung aber zerstreut, sagt Rob Drijkoningen, Leiter der Schwellenländermärkte bei ING Investment Management, dem Magazin „Capital“.
Türkische Lira ist stabil
Besonders vielversprechend scheinen Investitionen im Bausektor und bei den Konsumgütern. Anleger, die in türkische Aktien investieren wollen, finden eine Reihe von Länderfonds – unter anderem den DWS Türkei, HSBC GIF Turkey Equity A Acc oder auch einen bei der PNB Paribas. Eine Alternative wären Fonds mit Schwerpunkt Osteuropa oder Emerging Markets, bei denen türkische Aktien enthalten sind. An der Frankfurter Börse sind derzeit sechs ETF-Papiere gelistet. Sollte sich die türkische Lira weiterhin so stabil halten, bieten auch Zinspapiere in türkische Währung beachtliche Chancen, sagt Christian Schmitz von Goldman Sachs.